Im Streit über den Umfang des Rechts auf Akteinsicht nach dem Umweltinformationsgesetz (weiter: UIG) bekräftigt nach dem Verwaltungsgericht Halle nun auch das Oberverwaltungsgericht Magdeburg (weiter: OVG) den Anspruch der "Bürgerinitiative gegen eine Giftmüllregion Halle e.V." auf das weitgehende Zurverfügungstellen von dort vorgehaltenen Unterlagen zur Grube Teutschenthal (oder auch Angersdorf) in Form von Kopien bzw. Daten "in reproduzierbarer Form".

Das LAGB hatte im Juni 2015 bekanntlich angekündigt, dem Antrag der Bürgerinitiative zu entsprechen, ihr nicht nur Akteineinsicht in ihren Räumen zu gewähren, sondern verschiedene Dokumente der TU Freiberg im Rahmen der Beurteilung der Langzeitsicherheit der Grube Teutschenthal, Dokumente zum Lösungs- und Laugenmanagement im Grubenfeld Angersdorf, der dortigen Solebewirtschaftung und zu obertägigen Senkungsmessungen über dem Grubenfeld in Kopie, bzw. auf Datenträgern zur Verfügung zu stellen.

Die GTS hatte hierzu die Auffassung vertreten, das Recht der Bürgerinitiative auf Akteneinsicht könne wegen eines entgegenstehenden Interesses des Unternehmens an der Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen auf die bloße Einsichtnahme in den Räumen des LAGB beschränkt werden. Im Verfahren hatte das Unternehmen angekündigt, diese Rechtsfrage über den Umfang der Akteneinsicht notfalls bis vor den EuGH zu tragen.

Mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hatte das Unternehmen versucht, dem LABG zu untersagen, die begehrten Unterlagen in reproduzierbarer Form herauszugeben, solange das Hauptsachverfahren und der Instanzenweg zur Klärung der Rechtsfrage nicht abgeschlossen sei. Diese Klärung hätte Jahre andauern können. Vor dem Verwaltungsgericht war die GTS bereits gescheitert. Man hatte daher Beschwerde zum OVG Magdeburg eingelegt.

In seinem Beschluss vom 29.07.2016 hält das OVG Magdeburg die Auffassung der GTS nur in ganz wenigen Detailfragen für begründet. Im Wesentlichen gibt es aber der Haltung des LAGB und der Bürgerinitiative Recht, dass ein Anspruch nicht nur auf Einsichtnahme in den Räumen des LAGB bestehe, sondern auf Herausgabe der Dokumente in reproduzierbarer Form, zB auf Datenträgern.

Die Schwierigkeit für das OVG bestand nun darin, dass über einen Antrag der GTS auf vorläufigen Rechtsschutz entschieden werden musste, während das Hauptsacheverfahren ja noch beim Verwaltungsgericht anhängig ist. Es liegt aber in der Natur der Sache, dass im Falle einer Herausgabe von Kopien die Hauptsache quasi vorweggenommen werden muss, denn eine "vorläufige" Herausgabe kann es bekanntlich nicht geben.

In der Abwägung der Spannungsfelder entschied sich das OVG aber sehr weitgehend zugunsten der Interessen der BI, weil es in den Vorschriften des UIG auch im Hinblick auf die dortigen zeitlichen Vorgaben eine Wertungsentscheidung sieht und weil ein "hoher Evidenzgrad" dafür bestehe, dass der BI der Anspruch auch nach Prüfung im Hauptsacheverfahren in weitem Umfang rechtlich zustehe. Faktisch nehme es damit zwar die Entscheidung in der Hauptsache vorweg, aber das sei nach Abwägung der wechselseitigen Interessen hinzunehmen.

Das OVG begründet seine Entscheidung also damit, dass Informationen nach den Wertungen des UIG zeitnah erteilt werden müssen,  weil sie "mit zunehmendem zeitlichen Abstand an Bedeutung verlieren" könnten und sich dadurch gleichsam "faktisch erledigen" könnten. Es entspreche daher einer Wertung des UIG, dass eine Beschleunigung der Rechtsdurchsetzung der antragstellenden Person durchzusetzen sei - insbesondere, wenn der geltend gemachte Anspruch einen hohen Evidenzgrad besäße, so dass die Verweisung auf das Hauptsacheverfahren, das sich durch mehrere Instanzen hinziehen könne, unzumutbar sei.

Vorliegend sei jedenfalls - bis auf zwei kleine Themenbereiche in einem der zahlreichen angeforderten Dokumente, in welchen es um Rezepturen gehe - sehr wahrscheinlich, dass der Anspruch der Bürgerinitiative auf Überlassung der Dokumente in reproduzierbarer Form am Ende auch nach umfangreicher Prüfung durch alle Instanzen durchgreife.

Die BI habe - so das Gericht - ein erkennbares, besonderes Interesse an einem zeitnahen Zugang zu den begehrten Umweltinformationen. Die Mitglieder wohnten unmittelbar im Senkungsbereich über den Hohlräumen der Grube Angersdorf oder im unmittelbaren Einwirkungsbereich und hätten ein herausragendes Interesse daran, dass von dem ehemaligen Bergwerk und der dort von der GTS als Pilotbetrieb eingerichteten Dickstoffversatzanlage keine Gefahren ausgehen.

Eine effektive Kontrolle und gegebenenfalls eine Einflussnahme der Öffentlichkeit auf die die Dickstoffversatzanlage betreffenden Entscheidungsprozesse seien möglicherweise nicht mehr gewährleistet, wenn die Informationen erst nach Abschluss des Instanzenzuges in der Hauptsache nach einigen Jahren gewährt würden.

Zutreffend habe schon das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass die hier in Rede stehenden umfangreichen und nur mit Fachwissen erschließbaren Informationen nicht hinreichend erfasst und ausgewertet werden könnten, wenn sie lediglich vor Ort eingesehen werden dürfen, wie sich das die GTS vorstellt. Auf diesen Gesichtspunkt hatten wir im Verfahren deutlich hingewiesen.

Es bestehe beim derzeitigen Stand des Verfahrens also ein sehr hoher Grad an Wahrscheinlichkeit, dass der BI der geltend gemachte Anspruch auf Zugänglichmachung auch in Form reproduzierbarer Medien zustehe und Rechte der GTS nach § 9 Abs. 1 UIG - mit  den beiden beschriebenen, kleinen Ausnahmen - nicht entgegenstehen.

Die Erläuterungen der GTS zur Schutzbedürftigkeit ihrer Rechtsposition unter dem Gesichtspunkt geistigen Eigentums und zur Wahrung von Betriebsgeheimnissen konnten das Gericht nicht überzeugen, denn sie seien nicht hinreichend plausibel dargelegt. Der Inhalt der von uns zur Einsicht angeforderten Dokumente stütze die betreffenden Besorgnisse der GTS nach Einschätzung des Gerichts nicht, zumal es sich teilweise um die Beschreibung sehr spezieller Verhältnisse in der Grube Teutschenthal bzw. Angersdorf gehe und nicht ersichtlich sei, welchen Nutzen evtl. Mitbewerber am Markt hieraus ziehen könnten, wenn sie an diese Informationen gelangten. Teilweise könne man auch die Auffassung der GTS zur Herleitung ihres "geistigen Eigentums" nicht teilen. Soweit Emissionen betroffen seien, könne die GTS ohnehin keine Versagungsgründe gegenüber dem LAGB und der BI herleiten, denn das sei durch das UIG grundsätzlich ausgeschlossen. Die Angaben zum  Laugenmanagement und zu den Lösungen im Grubengebäude beträfen jedoch gerade solche Emissionen.Die Einwendungen der GTS könnten insofern keine Berücksichtigung finden.

Unsere Bürgerinitiative wird nun schauen, wie/dass das LAGB seiner Verpflichtung nachkommt. Immerhin liegt unser Antrag nun mehr als 1 Jahr zurück. Das UIG sieht die Auskunftserteilung prinzipiell innehalb eines Monats vor.